Das Seehaus
Luxusgefängnis, Qual oder spannende Alternative zum herkömmlichen Strafvollzug mit starker Resozialisierungsmöglichkeit?
Am 17.04.2023 besuchten wir, der K1-Religionskurs von Frau Schmitt, das Seehaus in Leonberg, ein Alternativkonzept einer Jugendvollzugsanstalt in freier Form. Insgesamt können dort maximal 21 männliche Jugendliche ihre Haftstrafe ableisten. Statt hinter Mauern und Zäunen eine Gefängnisstrafe abzusitzen und negativen Einflüssen anderer Straftäter ausgeliefert zu sein, sind die straffälligen Jugendlichen im Seehaus in einer idyllisch wirkenden Anlage ohne Stacheldraht und Gitter untergebracht, was von den Jungen aber einiges an Durchhaltevermögen, Selbstreflektion und Willenskraft verlangen kann. In der Art und Weise wie die Jugendlichen hier leben, zeigt sich bereits, dass es in diesem Alternativkonzept stark um Vertrauen geht. Dennoch sorgen auch strikte Regeln dazu, die Jugendlichen von einem Ausbruch abzuhalten und bringen – verbunden mit dem sehr strikten Tagesablauf – den Jugendlichen Disziplin und Durchhaltevermögen bei. Freizeit gibt es hier kaum, meist nur maximal 30min. am Tag. Der Tag ist ab 5:30 Uhr bis 22 Uhr recht streng geregelt und startet häufig mit Frühsport – auch Lesen und die Auseinandersetzung mit Glauben, Religionen und Weltanschauungen gehört dazu, um durch eine Werteveränderung eine innere Veränderung anzubahnen sowie Toleranz zu fördern. Zudem müssen die Jugendlichen eine handwerkliche Ausbildung anfangen und dürfen nach fortgeschrittener Ausbildung auch Schulen außerhalb des Hauses besuchen. Außerdem arbeiten die Jugendlichen teilweise auf externen Baustellen. Des Weiteren leben die Jugendlichen in WGs mit meist ca. fünf, maximal sieben anderen Häftlingen. Zu der WG gehören zusätzlich Hofeltern und deren Kinder, weshalb Sexualstraftäter keine Möglichkeit haben, ins Seehaus aufgenommen zu werden. Die „Aufseherfamilie“ lebt den Häftlingen ein normales Familienleben vor und hilft ihnen auch bei allen möglichen Problemen. Dieses Familienleben ist ein wichtiger Bestandteil der Vertrauensbildung. Auch einige Tiere gehören zum Seehauskonzept.
Zur Stärkung der Empathie-Fähigkeit soll zudem das Opferempathietraining beitragen, in welchem die Straftäter mit Opfern ins Gespräch kommen.
Die straffälligen Jugendlichen werden jeden Tag bewertet und erhalten dann konstruktive Kritik oder Lob. Bei Fortschritt in den Bereichen Vertrauen, Disziplin und Lehre können die jungen Männer in einem Stufensystem durch ein Bewerbungsschreiben aufsteigen. Durch dieses Belohnungssystem wird den Jugendlichen vermittelt, dass durch Arbeit und Vertrauen auch Fortschritt im eigenen Leben erreicht werden kann. Die Insassen werden also durch einen strukturierten Tagesablauf und der Möglichkeit auf eine Ausbildung auf das Leben außerhalb des Gefängnisses vorbereitet – in der Hoffnung, dass diese ihre zweite Chance nutzen. Bei Erreichen eines höheren Ranges werden den Häftlingen auch Freiheiten, wie beispielsweise externe Familienbesuche oder kurze Zeit am Smartphone, gestattet.
Bei unserem Seehausbesuch hatten wir die Möglichkeit, mit einem Betreuer/Familienvater des Seehauses und einem Bewohner, der sich aus der JVA Adelsheim für das Seehaus beworben hat, ins Gespräch zu kommen. Spannend war für einige von uns auch, dass man sich beispielsweise für ein FSJ im Seehaus bewerben kann.