Einblick in die öffentliche Gedenkkultur zum 2. Weltkrieg

Am Wochenende vor dem Schuljahresbeginn haben Schüler des NGL mit ihren Partnern vom Lycée Jules Supervielle in Oloron-Sainte-Marie und der Lichtenbergschule Darmstadt die Arbeit der Gurs-Projekt-Gruppe wieder aufgenommen.

Im Fokus stand dieses Mal der Blick auf das öffentliche Gedenken anlässlich zweier konkreter historischer Ereignisse, die sich am 9. September und am 11. September jährten: Die Abfahrt des Deportationskonvois 30 aus dem französischen Lager Drancy im Jahr 1942 – mit Bezug zu Darmstädter Bürgern und Internierten aus Gurs – sowie der Luftangriff auf die Stadt Darmstadt im Jahr 1944. Die Schüler nahmen dabei nicht nur an offiziellen Gedenkveranstaltungen im Darmstädter Rathaus und auf dem Waldfriedhof teil, sondern erlebten auch die mediale Verarbeitung in Fernsehen, so in der täglichen Nachrichtensendung von Hessen 3, oder in der Regionalpresse wie dem Darmstädter Echo. Ein weiterer Schwerpunkt des Programms war ein Studientag in Frankfurt beim in der Deutschen Nationalbibliothek angesiedelten Deutschen Exilarchiv 1933-1945.

Die Begegnung organisiert hatte der ‘Förderverein deutsch-französischer Kultur e. V. Stuttgart’, die Initiative ‘Schüler gegen Vergessen für Demokratie der Lichtenbergschule Darmstadt’ sowie der Verein ‘Mémoires musicales sans frontière Pau’. Förderer waren die Bundeszentrale für politische Bildung und das Deutsch-französische Jugendwerk.

Die folgenden Bilder lassen die einzelnen Programmpunkte Revue passieren.

Genau vor 80 Jahre wurden Juden aus dem Lager Drancy nach Auschwitz deportiert. Oberbürgermeister Jochen Partsch erinnerte an die Darmstädterin Liese Juda, die Teil des Konvoi 30 war. Für ihn ist das Gedenken unverzichtbar, denn es „soll uns zeigen, dass das eigene Leben nicht gilt, wenn mann das Leben leben anderer nichtig macht.“

Die Schüler und ihre Begleiter auf der Unesco-Welterbestätte Mathildenhöhe, dem Wahrzeichen von Darmstadt.

Gemeinsames Ansehen des Dokumentarfilms „Mémoires de Gurs en Allemagne – Erinnerungen an Gurs“ in Anwesenheit des Regisseurs Pierre Vidal in der Lichtenbergschule. Vor einem Jahr hatten die Schüler der Projektgruppe an dem Film mitgewirkt.

Kuratorin Ute Ritschel stellt das Internationale Waldkunstzentrum Darmstadt vor. Um ihre Kinder vor dem Tod zu retten, versteckten jüdische Eltern während der Nazi-Verfolgung ihre Kinder in den Wäldern. Die Installation „Versteckte Kinder“ der amerikanischen Künstlerin Laurie Beth Clark erinnert daran.

Abendessen im Waldkunstzentrum, zubereitet von der seit mehreren Jahrzehnten im Darmstädter Exil lebenden Iranerin Marjan Kashkooli.

Die in den 1930er Jahren geborene und aus Pau angereiste Monique Orgeval erzählte, wie ihr Vater eine jüdische Familie vor der Deportation gerettet hat und stellte ihr Buch über dessen Lebensgeschichte vor. Der Filmemacher Anatoli Skatchkov hat Moniques Erzählung aufgezeichnet. Zum Nachhören: Teil 1 und Teil2.

Besuch der Dauerausstellung des Deutschen Exilarchivs zum Thema Leben im Exil. Die Teilnehmer erarbeiten die Biografien von Exilanten wie Thomas Häfner, Clementine Zernik und Ernst Loewy.

Interaktives virtuelles Interview mit Kurt S. Maier im Exilarchiv. Aus Interviews mit dem in den USA lebenden Gurs-Zeitzeugen wurde eine 3D-Projektion erstellt. Die zweitgrößte französische Regionalzeitung ‚Sud Ouest‘ hat hierzu einen Video-Beitrag veröffentlicht (Link für Video-Beitrag).

Arbeit im Exilarchiv mit Archivmaterialien. Die französischen Schüler staunten darüber, dass über 1.000 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt wertvolle Dokumente für die Geschichte des Lagers Gurs zu finden waren.

Abstecher zur EZB: Einem Ort der europäischen Zusammenarbeit sowie einem Ort des Gedenkens an die Deportationen der jüdischen Gemeinde Frankfurts.

Historische Erinnerung durch Tanz wiedergeben – das war das Leitthema der Tanz-AG der Lichtenbergschule Darmstadt beim Themenabend „Kunst hinter Stacheldraht“ in der Deutschen Nationalbibliothek.

Musik aus dem Lager Gurs zum Thema „Kunst hinter Stacheldraht“ mit Mélina Burlaud am Klavier und der Stimme von Claire Baudouin.

Podiumsgespräch in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt mit Schülern aus Frankreich und Deutschland: „Wir sprechen über Geschichte und über Privates. Wenn man Personen aus dem anderen Land kennt und mag, wird man keinen Krieg gegeneinander führen.“

Auf in die Höhe und den Kopf frei machen nach einmal vollen Programm: Die Schüler sind auf dem Weg durch „Mainhattan“ und machen sie bereit für die Fahrt auf die Aussichtsterrasse des Frankfurter Maintowers.

Blick über Frankfurt

Auch der Austausch im privaten wurde gefördert: Die Gruppe in einem der traditionsreichen Frankfurter Lokale vor der Rückkehr nach Darmstadt.

Stolpersteine in die Mitte genommen: Vor dem Haus der Darmstädterin Lise Juda (1921-1942), die nach ihrer Internierung in Gurs mit dem Konvoi 30 aus Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.

Überreste der Liberalen Synagoge, eine von zweien in Darmstadt, die 1938 in der Reichpogromnacht zerstört wurden.

Erinnerung virtuell: Blick durch die 3D-Brille auf 14 deutsche in der Reichspogromnacht zerstörte und digital rekonstruierte Synagogen, die von Marc Grellert vom Fachgebiet Digitales Gestalten der Technischen Universität Darmstadt vorgestellt wurden.

Gemeinsames Ansehen des Dokumentarfilms „Mémoires de Gurs…“. Der Lichtenbergschüler Omid wirkte beim Entstehen des Films vor einem Jahr mit und berichtete den jungen Zuschauern im Gespräch mit dem Regisseur Pierre Vidal über die Erfahrungen und Empfindungen bezüglich der eigenen Familiengeschichte.

Rd